Gesine Dornblüth gegen Russland wegen Passvergabe

8.6.2019
 
Sehr geehrte Damen und Herren,
 
ich erhebe gegen folgenden Beitrag Programmbeschwerde, wegen Behauptung falscher Tatsachen und Weglassen von entscheidenden Informationen,
die den gesamten Bericht in einem anderen Bild erscheinen lassen würden.
 
7.6.2019
 
https://www.deutschlandfunk.de/russland-machtpolitik-mit-paessen.724.de.html?dram:article_id=450837
 
In diesem Beitrag geht es darum, dass Russland auch Bürgern in der Ostukraine die russische Staatsbürgerschaft anbietet.
Mehrere von der Autorin Gesine Dornblüth eingeholten Expertenmeinungen betrachten diese Praxis als kritisch und im Fazit ihres Berichtes verurteilt Dornblüth Russland deswegen,
dass es damit die Integrität der Ukraine zu verhindern versuche. Ein ganz entscheidendes Faktum lässt die Autorin Dornblüth in ihrem Beitrag jedoch außen vor.
Die neuen Machthaber in Kiew haben nämlich entschieden, den Menschen im Bürgerkriegsgebiet keine Papiere mehr auszustellen. Kinder, die ab 2014 geboren wurden, haben daher keine international anerkannten Geburtsurkunden, Menschen bekommen keine Pässe oder Personalausweise mehr, wenn ihre Dokumente abgelaufen sind. Die Menschen sind damit im Grunde recht- und staatenlos. Russland gibt diesen Menschen also grundlegenste Menschenrechte zurück, die der Staat Ukraine seinen eigenen Bürgern im Donbass verweigert. Nicht Russland untergräbt also
die Integrität der Ukraine, sondern die Ukraine selbst.
 
Die Autorin Gesine Dornblüth schreibt weiter:
 
"Im Donbass hat sich das bereits wiederholt. Als Wladimir Putin 2014 den Föderationsrat Russlands um Zustimmung zu einem offiziellen Militäreinsatz in der Ukraine bat, begründete er dies mit der angeblichen Gefährdung russischer Staatsbürger in der Ukraine."
 
https://www.deutschlandfunk.de/russland-machtpolitik-mit-paessen.724.de.html?dram:article_id=450837
 
Das ist die Unwahrheit. Wladimir Putin bat den russischen Föderationsrat nicht um Zustimmung für einen Militäreinsatz im Donbass, sondern für die Halbinsel Krim
 
https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/krim-krise-russischer-foederationsrat-stimmt-militaerei
 
Und die Gefährdung der russischen Staatsbürger auf der Krim wahr real gegeben und nicht "angeblich", wie Autorin Dornblüth schreibt.
Nach dem gewaltsamen und verfassungswidrigen Regierungsumsturz im Februar 2014 in der ukrainischen Hauptstadt Kiew drohten die dadurch neu an die Regierung gekommenen
Machthaber den Bewohnern auf der Krim:
 
"Die Krim wird ukrainisch sprechen, oder gar nicht mehr"
 
Diese Drohung ging einher mit der Planung, die russische Sprache auch auf der Krim zu verbieten.
 
weiter schreibt Dornblüth:
 
"Russland hatte 2014 Krieg in den Donbass gebracht, dann die Unabhängigkeit von so genannten „Volksrepubliken“ gefördert."
 
https://www.deutschlandfunk.de/russland-machtpolitik-mit-paessen.724.de.html?dram:article_id=450837
 
Auch das ist die Unwahrheit.
Während der Maidanproteste, die Ende November 2013 in Kiew begannen, besetzten Neonazi-Kräfte in Kiew und in der Westukraine mit Gewalt staatliche Gebäude, sowie
Regierungs- und Parlamentsgebäude. Dies geschah, ohne dass es in der Berichterstattung im Westen, auch im Deutschlandfunk, Erwähnung gefunden hätte, oder verurteilt worden wäre.
Aus Protest gegen den gewaltsamen Regierungsputsch vom Februar 2014 gingen die Menschen in der Ostukraine, im Donbass, auf die Barrikaden und besetzten ebenso wie vorher
die Neonazis in Kiew und in der Westukraine Regierungsgebäude. Daraufhin bezeichnete das neu an die macht gekommene Kiewer Regime diese Menschen als "Terroristen" und
"Untermenschen", die beseitigt werden müssten und schickten am 15.4.2014 das Militär und Neonazi-Freiwilligenbataillone in den Donbass, um die Menschen dort seitdem zu bombardieren.
 
"Die Ukraine hat Truppenverbände in den Osten des Landes geschickt. Der Einsatz wird als "Anti-Terror"-Operation gegen russische Separatisten bezeichnet. Nach Angaben des Nationalen Sicherheitsrats sind "sehr kämpferische" Soldaten "auf dem Weg an die Front"
 
https://www.spiegel.de/politik/ausland/ukraine-bataillon-der-nationalgarde-zieht-in-den-osten-a-964547.html
 
Die von mir kritisierten Passagen des DLF-Beitrages vom 7.6.2019 verstossen gegen die Programmrichtlinien.
 
Bitte bestätigen Sie mir den Eingang meiner Programmbeschwerde innerhalb der nächsten 7 Tage und lassen Sie mir bitte in einem angemessenen Zeitrahmen eine Stellungnahme zukommen.
 
Mit freundlichen Grüßen
 
Bernhard Moser
Mittlerer Lech 16
86150 Augsburg
 

 

Sehr geehrter Herr Moser,

 

wir bestätigen den Eingang Ihrer E-Mail im Gremienbüro von Deutschlandradio. Bitte haben Sie Verständnis, dass die Bearbeitung einige Zeit in Anspruch nehmen kann.

 

Mit freundlichen Grüßen

Sabine Lebahn


25.6.2019

Sehr geehrter Herr Moser,

 

haben Sie Dank für Ihre kritische Zuschrift vom 10. Juni 2019. Gemäß unserer Beschwerdeordnung antworte ich Ihnen als Intendant.

 

In einem vorangegangenen Antwortschreiben hatte ich Ihnen bereits meine Einschätzung mitgeteilt, dass die Lage in der Ukraine von großer Komplexität geprägt ist. Dies gilt umso mehr für die Frage der in dem von Ihnen kritisierten langen Beitrag zur Passvergabe durch Russland.

 

Insofern bin ich etwas verwundert, dass Sie ausgerechnet an diesem extrem hintergründigen und sehr aufwendigen Stück Kritik üben.

 

Die Autorin „verurteilt“ Russland nicht, wie Sie schreiben, sondern sie trägt ganz unterschiedliche Expertenmeinungen zusammen. Dazu zählen u.a. die der russischen Diplomaten, die u.a. auf die humanitären Argumente Russlands hinweisen: „Wir geben Menschen einfach die Möglichkeit, lebenswichtige Probleme zu lösen.“ (Nebensja)

 

Wer den Beitrag aufmerksam und unvoreingenommen liest oder hört, bemerkt, dass auch die anderen Experten diesen Aspekt der Passvergabe durchaus sehen. Allerdings stehen sich in dieser komplizierten rechtlichen Frage mehrere konkurrierende Interessen gegenüber. Genau dies erläutert exemplarisch die Völkerrechtlerin Peters:

 

„In der Situation haben wir ein Dreiecksverhältnis. Wir haben die Situation der betroffenen Menschen einerseits, wir haben zweitens die Interessen der Ukraine, die Einwohner verliert und dadurch auch in ihrer Staatlichkeit beeinträchtigt wird, weil die Einwohner den Staat mit konstituieren, wenn keine Bürger mehr da wären, dann wäre die Ukraine als Staat weg. Und drittens haben wir die Interessen Russlands, und Russland darf auch die Staatsbürgerschaft an Personen im Ausland vergeben, wenn ein Verbindungspunkt vorliegt. Und in diesem Interessensdreieck muss man einen fairen Ausgleich schaffen. Und das, was Russland jetzt macht, ist nicht mehr von diesem fairen Ausgleich gedeckt.“

 

Peters spricht von einem individuellen Menschenrecht auf Staatsangehörigkeit. Dies befuge Russland aber nicht per se, Staatsangehörigkeit zu verleihen.

 

Ferner stoßen Sie sich an der Formulierung, „Als Wladimir Putin 2014 den Föderationsrat Russlands um Zustimmung zu einem offiziellen Militäreinsatz in der Ukraine bat, begründete er dies mit der angeblichen Gefährdung russischer Staatsbürger in der Ukraine."

 

Dies sei die Unwahrheit, schreiben Sie, denn Putin habe den Föderationsrat um Zustimmung für die Halbinsel Krim gebeten. Darf ich Sie darauf hinweisen, dass die Krim Teil der Ukraine ist und zwar, nebenbei gesagt, zu dem Zeitpunkt, als sich der Föderationsrat mit der Frage beschäftigte, sogar nach Auffassung Russlands noch Teil der Ukraine war?

 

Zu Fragen der angeblichen Gefährdung russischsprachiger Bewohner der Krim, zur russischen Verantwortung für den Krieg in der Ostukraine sowie zur Rolle und den Charakter des Maidan habe ich Ihnen wiederholt geantwortet.

 

Insofern erlaube ich mir, mit diesen Zeilen zu enden.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Stefan Raue

 

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Ich habe Stefan Korinth gefragt, wie er die Antwort des DLF sieht:

https://www.stefankorinth.de

Hallo Herr Moser,

 

nun ja, ich weiß nicht, was Herr Raue Ihnen sonst so antwortet, aber ich finde, hier stiehlt er sich ganz schön aus der Verantwortung. Aber das war kaum anders zu erwarten. Zu den klarsten Fehlern des Beitrages (Russland habe den Krieg gebracht, Nichterwähnung des Passentzugs durch die Ukraine) sagt er einfach nichts. Dass er diesen Beitrag für "extremhintergründig und aufwendig" hält, sagt eigentlich schon alles über die Oberflächlichkeit des heutigen Tagesgeschäfts. Ihren Punkt zur militärischen Eingriffsermächtigung durch den Föderationsrat hat Raue offenbar gar nicht verstanden.

 

Schön, dass er anerkennt, dass die Konfliktlage in der Ukraine "von großer Komplexität geprägt" ist. Leider wird das aus den Beiträgen des ÖR nur selten deutlich. Da erscheint der Konflikt doch meist ziemlich leicht verständlich und die Rollenverteilung eindeutig zu sein. Den großen Medien ging es doch von Beginn des Konflikts vor allem um Simplifizierung.

 

Soweit meine Ansicht, zu dem Fall.

 

Viele Grüße

Stefan Korinth


7.7.2019
 
Sehr geehrte Damen und Herren,
 
die Antwort, die ich auf meine Programmbeschwerde erhalten habe, entkräftet den Vorwurf des Verstoßes gegen die Programmrichtlinien nicht.
Auf zwei der Verstöße, die ich aufgezeigt und benannt habe, wird in der Antwort des Intendanten überhaupt nicht eingegangen.
 
1. Der von mir kritisierte Beitrag handelt davon, dass Russland den Bürger der Ostukraine anbietet, russische Pässe zu beantragen. Dieser Beitrag krtisiert und verurteilt
diese Praxis. Er lässt aber vollkommen unerwähnt, dass die ukrainische Regierung in Kiew seit 2014 Neugeborenen in der Ostukraine keine Pässe mehr ausstellt und den Menschen dort,
deren Pässe abgelaufen sind, keine neuen mehr ausstellt. Diese Menschen wären ohne das Angebot Russlands also somit staatenlos und hätten keinerlei Rechte mehr.
Dies zu verschweigen, ist ein klarer Verstoß gegen die Programmrichtlinien.
 
2. Der Vorwurf in dem von mir kritisierten Beitrag, dass Russland 2014 den Krieg in die Ostukraine gebracht hätte, ist falsch. Wie ich in meiner Beschwerde aufgezeigt habe, hat am 15.4.2014
die Kiewer Regierung das Militär in die Ostukraine geschickt und diesen Bürgerkrieg losgetreten. Ein Verstoß gegen die Programmrichtlinien.
 
Auf beide Punkte ist der Intendant in seiner Antwort nicht eingegangen und diese beiden Vorwürfe sind auch nicht zu entkräften.
 
Zu dieser Antwort, die ich erhalten habe, habe ich den Journalisten Stefan Korinth, der seit Beginn des Ukrainekonfliktes 2013 darüber berichtet, um seine Ansicht gebeten.
Er schrieb mir:
 
"Hallo Herr Moser,

nun ja, ich weiß nicht, was Herr Raue Ihnen sonst so antwortet, aber ich finde, hier stiehlt er sich ganz schön aus der Verantwortung. Aber das war kaum anders zu erwarten. Zu den klarsten Fehlern des Beitrages (Russland habe den Krieg gebracht, Nichterwähnung des Passentzugs durch die Ukraine) sagt er einfach nichts. Dass er diesen Beitrag für "extremhintergründig und aufwendig" hält, sagt eigentlich schon alles über die Oberflächlichkeit des heutigen Tagesgeschäfts. Ihren Punkt zur militärischen Eingriffsermächtigung durch den Föderationsrat hat Raue offenbar gar nicht verstanden.

Schön, dass er anerkennt, dass die Konfliktlage in der Ukraine "von großer Komplexität geprägt" ist. Leider wird das aus den Beiträgen des ÖR nur selten deutlich. Da erscheint der Konflikt doch meist ziemlich leicht verständlich und die Rollenverteilung eindeutig zu sein. Den großen Medien ging es doch von Beginn des Konflikts vor allem um Simplifizierung.

Soweit meine Ansicht, zu dem Fall.

Viele Grüße

Stefan Korinth"

https://www.stefankorinth.de

Ich fordere Sie auf, sich mit dem Vorgang entsprechend Art 17 GG  zu befassen und mir das Ergebnis Ihrer Prüfung mitzuteilen.

Mit freundlichen Grüßen

Bernhard Moser


Sehr geehrter Herr Moser,

 

hiermit bestätige ich Ihnen den Eingang Ihrer Mail vom 7. Juli im Gremienbüro von Deutschlandradio. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass die Bearbeitung etwas Zeit in Anspruch nehmen kann.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Christian Bremkamp

 

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Christian Bremkamp

Referent für Grundsatzfragen

 

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